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Balance und Koordination des Pferdes verbessern

11.07.2020

Dieser Beitrag ist Teil 2 von 6 der Artikel-Serie "Muskelaufbau beim Pferd"

Artikelserie "Muskelaufbau beim Pferd"

Der Traum eines jeden Reiters ist ein gut bemuskeltes, kraftvolles Pferd. Es gibt kaum einen Reiter, der nicht das Ziel "Muskelaufbau" verfolgt - das Thema ist omnipräsent und jeder gibt seine Erfahrungen zum Besten.
Dabei ist doch jedes Pferd einzigartig - neben der sportlichen Ausrichtung sind auch der Charakter des Pferdes sowie Fütterung und viele weitere Aspekte für gesunden und effektiven Muskelaufbau relevant.

Wenn du weitere Ideen, Fragen oder Anregungen hast, lass es mich gerne in den Kommentaren wissen, dann werde ich das demnächst in einem Beitrag vertiefen.


Pferde sind von Natur aus richtige Balance-Profis. In der freien Wildbahn können sie teilweise problemlos steile, felsige Hänge erklimmen und rutschige Abhänge meistern, um an Wasser zu gelangen. Wurzeln oder unebenes Gelände gehören zum Alltag und werden quasi "übersehen". Dies verdanken sie ihrer natürlichen Balance und vielleicht auch ein wenig ihrem Körperbau, denn ihre Vorderbeine können wie Federn wirken und so Stürze oder Ähnliches erheblich abmildern. In diesem Falle schieben sich die Schulterblätter nämlich seitlich am Widerrist vorbei und geben so nach (das sieht man auch bei Katzen).

Dennoch scheinen viele Pferde heutzutage nicht wirklich ausbalanciert zu sein. Holpriges Laufen, Stolpern über Wurzeln/Stangen/Äste, Schwanken beim Hufegeben oder das einfache Wegrennen unterm Sattel (immer schneller werden) sind nur einige Folgen von fehlender Balance.

Du ahnst es vielleicht schon: In diesem Beitrag stelle ich dir Übungen und Ideen vor, die die natürliche Balance des Pferdes stärken und es so auch selbstbewusster und agiler machen.

Zuerst sei folgendes gesagt: Viele Pferde stolpern aufgrund starker Vorhandlastigkeit, denn wenn die Vorhand zu viel Gewicht trägt, muss sie zu lange am Boden bleiben und kann nicht aktiv nach vorn schwingen, sodass das Pferd schnell irgendwo hängen bleibt. Auch ermüdet die gesamte Muskulatur viel schneller, auch dadurch wird das Stolpern verstärkt und die Balance lässt nach.

Wichtig ist auch: Wenn das Pferd am Boden keinerlei Balanceprobleme zeigt, aber im Sattel dauernd stolpert oder andere koordinative Probleme hat, dann sollte man das Problem zuerst beim Reiter suchen. Denn unausbalancierte Reiter stören das Pferd in seiner Balance und bringen es aus dem Gleichgewicht. Sollte die Disbalance unabhängig vom Reiter auftreten, liegt das Problem vermutlich in der Bemuskelung.

Freiarbeit

In der Freiarbeit darf sich das Pferd frei einbringen und selbst Ideen äußern. Durch das Fehlen von äußeren Hilfen (Paraden, Schenkelhilfen, sogar ein Kappzaum mit lockerem Seil gibt Impulse) muss es sich selbst ausbalancieren und einen Weg finden, nicht auf die innere Schulter zu fallen. Nach einiger Zeit beginnen die meisten Pferde auch, ganz neue Bewegungen einzubringen und lernen damit spielerisch, wozu ihr Körper fähig ist. Sie testen ihre Grenzen. So wird das Körpergefühl extrem geschult und somit auch die Balance verbessert.

Spielen mit anderen Pferden

Das Spielen mit anderen Pferden auf dem Paddock ist eine gute Möglichkeit, die Balance des Pferdes zu verbessern. Durch schnelle Wendungen, stolze und eigenmotivierte Bewegungen (besonders bei Hengsten) und z.B. spielerisches Steigen wird das Körpergefühl des Pferdes gestärkt und die Muskulatur anders beansprucht, als sie es beim klassischen Reiten wird. Die schnellen, meist imposanten Bewegungen können nur erfolgen, wenn der Körper insgesamt im Gleichgewicht ist. Ist dem Pferd beispielsweise nicht bewusst, dass es 4 Beine hat, dann kann aus einem erhabenen Trab schnell ein seltsames Stolpern werden🤪

Langsame und bewusste Bewegungen

In der Boden-, Hand- und auch Reitarbeit kann man super das Tritte verkürzen und verlängern einbauen. Das Pferd soll dabei den Takt beibehalten, aber die Bewegungen viel langsamer ausführen. Das geht in allen 3 Gangarten und ist zwingend mit leichter Versammlung verbunden, denn das Pferd muss jeden Schritt einzeln setzen und wird dadurch automatisch geschlossener laufen.

Sind die langsamen Schritte gut abrufbar und können auch etwas länger gehalten werden, dann kann man auch Seitengänge und andere gymnastische Übungen besonders langsam ausführen (lassen). Das schult die Körperwahrnehmung enorm, da das Pferd wirklich jedes Bein einzeln setzen muss. Auch für uns als Reiter hat dies viele Vorteile, zum Beispiel können wir uns besser auf die korrekte Ausführung konzentrieren und gezielt korrigieren. Da Seitengänge auch die Hinterhand aktivieren, den Rücken aufwölben, die Bauchmuskeln trainieren und den Pferdekörper (einseitig) dehnen, sind sie, korrekt und langsam ausgeführt, ein richtiges Allrounderpaket zur Pferdegesundheit💪

Unebene Untergründe / Balance Pads

Eine wichtige Rolle für die Balance spielt die Tiefenmuskulatur des Pferdes. Diese ist zwar nicht entscheidend für spektakuläre Bewegungen, gibt dem gesamten Pferd aber Stabilität und Balance. Mit unebenen Untergründen kann man diese ideal ansprechen und gezielt trainieren und aufbauen. Solche Untergründe kannst du entweder künstlich aufbauen, mit Matten, Balance Pads, Podest und Ähnlichem, oder du nutzt die Natur und reitest/spazierst mit deinem Vierbeiner über Moosteppiche, Waldboden, Beton, kleinere Hügel, tieferen Sand (in Maßen!) und Schotterwege. Auch flache Bachläufe mit großen Steinen steigern die Trittsicherheit und Koordination deines Pferdes enorm.

Stangensalat und Querfeldein

Ähnlich wie eben angesprochen können auch Stangen helfen, deinem Pferd besser in die Balance zu helfen. Stangensalate kannst du am besten mit flexiblen Stangen (z.B. Dualgassen) nachbauen, du kannst auch klassische, harte Stangen nehmen, aber stelle dann sicher, dass sich dein Pferd nicht verletzen kann, weil eine der Stangen einfach losrollt. Sprich: Mit weichen Stangen bist du auf der sicheren Seite!

Du kannst diese Stangensalate an der Longe einbauen (ohne Ausbinder, damit dein Pferd gucken kann!), in der Boden- oder Freiarbeit nutzen oder sogar drüberreiten, wenn du und dein Pferd geübt darin seid. Aber auch schon simple Trabstangen haben einen nicht zu unterschätzenden Effekt.

Für Menschen wie mich, die vielleicht keine Lust haben, extra einen Stangensalat aufzubauen oder nicht mal flexible Stangen haben, kann man diese Übung ganz einfach in den Wald verlegen. Statt ganz simpel den Waldweg langzulaufen, geht es querfeldein über Stock und Stein (ohh das hat sich gereimt), über Baumstämme, durch "Baumtore" und unter Ästen durch. Der Boden stellt dabei ähnliche Anforderungen an dein Pferd wie ein Stangensalat: Es muss die Beine heben und sich genau überlegen, wohin es tritt. Dadurch wird die Koordination, Trittsicherheit und das Körpergefühl gestärkt - wird ein Hinterbein vergessen, bleibt es hängen.


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Antippen und Abstreichen einzelner Beine

Eine super einfache Übung, die auch während des Trainings immer wieder durchgeführt werden kann und dem Pferd zu mehr Körpergefühl verhilft: Tippe mit einer Gerte das eine Vorderbein deines Pferdes an. Verstärke den Impuls langsam, bis dein Pferd das Bein anhebt. Dann nimmst du sofort den Druck weg und lobst. Wiederholst du das regelmäßig mit allen 4 Beinen (oder auch nur mit den Problembeinen), dann werden die Beine deinem Pferd immer mehr bewusst und es bekommt eine Ahnung, wo das Bein ist... Als gesteigerte Form kannst du später sogar nur noch auf das Bein zeigen, wirklich gut geschulte, körperbewusste Pferde können schon auf einen Fingerzeig das richtige Bein anheben (keine Sorge, das kann ewig dauern und manchmal wird es nie was😂).

Alternativ kannst du auch ein Bein abstreichen (z.B. mit einer Wurzelbürste oder mit deiner Hand), wenn du merkst, dass dein Pferd Probleme mit der Koordination eines Beines hat - wenn es zum Beispiel einseitig mehr Vorhandaktivität hat oder ein Hinterbein weniger untertritt/schleift. Meist hilft das Abstreichen, da es die Nervenenden "weckt" und das Pferd das Bein dadurch fühlen kann. Achtung: Einseitige Probleme (wenn nicht durch die natürliche Schiefe begründet) können auch Lahmheiten sein, sollte das Problem nicht so leicht zu beheben sein oder bei verschiedenen Übungen auftreten, frag lieber einen Tierarzt um Rat.

Körperbandagen

Körperbandagen (ich binde nach Tellington) helfen dem Pferd, seinen Körper besser wahrzunehmen. Sie helfen z.B. gegen eine schleifende Hinterhand und können wertvoll für die Übergänge sein. Bolero helfen sie bei Galopp-Trab-Übergängen, weil er da sehr gerne seine Hinterhand vergisst.

Durch den gymnastizierenden Effekt und das bessere Körperbewusstsein können Körperbandagen vielseitig eingesetzt werden und somit langfristig die Balance stark verbessern, da das Pferd aktiver untertritt und somit das Gewicht nach hinten verlagert, sodass die Vorhand entlastet wird und das Pferd weniger stolpert.

Kegel / Dualgassen

Dualkegel und -gassen helfen bei der Koordination, z.B. beim Longieren, Reiten und bei der Bodenarbeit. Sie helfen auch dem Menschen, da sie als sichtbare Begrenzungen dienen und es uns somit erleichtern, präzise Hilfen zu geben. Dualgassen sind bekannt aus der Dualaktivierung / Equikinetic, die einen guten Ruf in der Pferdewelt hat, da sie den Pferdekörper und den Muskelaufbau ganzheitlich unterstützt.

Da ich keine Dualgassen habe, nutze ich stattdessen gelbe und blaue Kegel, die ich z.B. als Tore, Slalom oder Begrenzungen aufstelle. (Warum die Farben blau und gelb, kannst du hier nachlesen.) Ich arbeite auch nicht nach der Methode der Equikinetic, aber diese soll die Balance wohl ebenfalls unterstützen.

Für mich haben die Kegel und Gassen (die kannst du auch aus Holzstangen aufbauen) eher den koordinativ-unterstützenden Effekt, denn das Pferd muss aufpassen, wo es hintritt. Geeignete Übungen sind beipspielsweise Rückwärts, Schenkelweichen und Übergänge innerhalb der Tore / Gassen. Und noch eine kleine Anregung: Hast du schon mal ein Stangen-L aufgebaut? Du kannst es vorwärts und rückwärts durchreiten / -laufen und es fördert die präzise Hilfengebung und die Trittsicherheit :)

Zirzensik (spanischer Gruß/Schritt/Trab/Galopp, Kompliment, Bergziege, Aufstellen, Crunches)

Die Zirzensik ist ein nicht zu ignorierender Aspekt, wenn es um die Balance geht. Im natürlichen Spiel auf der Koppel kann man viele dieser Bewegungen beobachten, sie sind also nicht, wie viele immer behaupten, unnatürlich oder erzwungen.

Die spanischen Gangarten, wie ich sie jetzt einfach mal nenne, setzen das Pferd mehr auf die Hinterhand und es bekommt vor allem ein Gefühl für die Vorderbeine, da diese (anfangs) noch einzeln angetippt werden (siehe Antippen einzelner Beine).

Das Kompliment und das damit verbundene Aufstellen fördern ebenfalls das Bewusstsein für die Vorderbeine und haben ebenfalls einen dehnenden und auch balancefördernden Effekt.
Die Bergziege (hierbei werden die Hinterbeine dicht an die Vorderbeine herangestellt) fördert im Gegensatz dazu die Wahrnehmung für die Hinterbeine, die ja einzeln angetippt und unter den Körper gesetzt werden. Auch diese Übung stärkt das Gleichgewicht und dehnt die gesamte Oberlinie.

Die Crunches stärken die Tiefenmuskulatur und die tragenden Muskulatur (Rücken und Bauch) durch das Aufwölben der Oberlinie und das Anheben des Widerrists. Ich mache mit Bolero eine Abwandlung der intrinsischen Crunches, die nicht komplett auf Selbstständigkeit beruht. Wenn dich die Crunches interessieren, solltest du dich einfach mal über Intrinzen informieren :)

Ich hoffe sehr, dass dir und deinem Vierbeiner diese Übungen zu mehr Balance helfen können. Ich freue mich sehr über einen Kommentar von dir, wenn du diesen Beitrag als hilfreich ansiehst, Fragen hast oder weitere Aspekte einbringen möchtest!💖

Kategorien: Pferdegerecht | Schlagworte: Alternativen zum Reiten, Frei- und Bodenarbeit, Longieren, Muskelaufbau, Reiten, Trainingsimpulse

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