Leichttraben - Sinn oder Unsinn?
30.08.2021 (letztes Update 13.09.2021)
Das Leichttraben wird oft als "Entlastung des Pferderückens" gelobt - tatsächlich erfunden wurde es aber, um vor allem unerfahrene Reitern längeres Traben zu erleichtern! Entgegen der Behauptung, das Aufstehen im Sattel würde den Pferderücken entlasten, kann Leichttraben sogar eine stärkere Belastung für das Pferd darstellen als Aussitzen. Das Gewicht des Reiters verschwindet ja beim Aufstehen nicht auf magische Weise, sondern wird nur weg vom Gesäß hin zu Oberschenkel und Steigbügeln gelenkt.
Dadurch wird das Reitergewicht bei jedem Aufstehen und Hinsetzen "umgelagert": Beim Aufstehen durch die Steigbügelaufhängung weiter nach vorne, beim Hinsetzen wieder zurück. Gerade das Aufstehen, das mit einem nach-vorne-lehnen einhergeht, belastet die Vorhand durch die Schwerpunktverschiebung.
Besonders für unausbalancierte Pferde kann das problematisch sein, da sie zusätzlich zu ihrer eigenen Disbalance auch noch den sich aktiv bewegenden Reiter tragen und ausbalancieren muss. Beim Aufstehen wird der hintere Rücken des Pferdes entlastet, aber beim Einsitzen erfolgt eine Mehrbelastung dieses Bereichs. Im Gegensatz dazu wird die Rückenmuskulatur beim Aussitzen relativ gleichmäßig belastet.
Leichttraben ist vor allem für den Reiter leicht, nicht für das Pferd.
Richtiger & Falscher Fuß?
Ganz ehrlich? Ich habe nie verstanden, warum man auf dem einen oder anderen Fuß traben muss und konnte es mir auch nie merken. Aber das ist nicht schlimm, denn: Es gibt keinen "richtigen" und "falschen" Fuß - je nachdem, was man erreichen möchte, haben beide Versionen ihre Vorteile.
Leichttraben auf dem "richtigen" Fuß - Aufstehen, wenn das innere Hinterbein/die äußere Schulter vorgeht: Aktiviert das innere Hinterbein (weil: Setzen, wenn das innere Hinterbein den Boden berührt = Mehrbelastung des inneren Hinterbeins, dadurch vermehrt Federn nach unten; mit dem nächsten Aufstehen wird das nach-vorne-führen des inneren Hinterbeins verstärkt)
➡️ bei "schleppenden" innerem Hinterbein
➡️ Viereck vergrößern (treibt Pferd an äußeren Zügel + animiert inneres Hinterbein zum Untertreten)
➡️ Traversalen, um die Hinterhand zu animieren, wenn sie hinterherhängt
Leichttraben auf dem "Falschen" Fuß - Aufstehen, wenn das äußere Hinterbein/die innere Schulter vorgeführt wird: Aktiviert das äußere Hinterbein
➡️ bei besonders schiefen Pferden zur Geraderichtung
➡️ beim Viereck verkleinern (treibt Pferd an inneren Zügel + aktiviert äußeres Hinterbein zum Untertreten)
➡️ bei "schleppendem" äußeren Hinterbein
➡️ Seitengänge, besonders Traversalen, wenn die Hinterhand die Schulter überholt (erlaubt der Schulter, zu führen)
Auf dem gegenüberliegenden Hinterbein leichttraben kann helfen, die Zügelverbindung zu verbessern. Zum Beispiel: Das Pferd soll an den linken Zügel herantreten? Dann trab auf dem rechten Hinterbein leicht.
Generell ist es immer zu empfehlen, oft den Fuß zu wechseln - sonst belastet man eine Diagonale vermehrt, was langfristig verschleißend ist.
Sitztipps - Wie trabe ich richtig leicht?
Leichttraben klingt leicht - ist es aber nicht unbedingt. Häufige Fehler sind zum Beispiel:
❌ Beim Aufstehen in die Steigbügel stellen.
✅ Verteile dein Gewicht auf den Oberschenkeln. Die Steigbügel sollten so wenig Gewicht tragen, dass man einen Finger zwischen Schuhsohle und Steigbügel stecken könnte, ohne dass er abstirbt (Idee von Takt Gefühl: "Leichttraben - Praxistipps" auf Youtube)
➡️ Leichttraben ohne Steigbügel ist zwar anstrengend, aber hilft dir, dies zu verbessern & zu verinnerlichen!
❌ Hoch aufstehen und nach vorne lehnen.
✅ Lieber gerade so mit dem Hosenboden den Sattel verlassen - das bringt Ruhe ins Leichttraben.
❌ In den Sattel plumpsen.
✅ Sanft in den Sattel setzen, wie bei einem Nadelkissen - kurz rein und dann wieder hoch (inneres Bild nochmal aus dem Youtube-Video geklaut)
❌ Vor oder hinter die Bewegung kommen.
✅ Im Rhythmus bleiben. Sonst bringt man nicht nur sich selbst, sondern auch das Pferd aus dem Gleichgewicht. Wenn du merkst, dass du aus dem Rhythmus kommst, setze dich nochmal in den Sattel und lass dich dann mitnehmen.
❌ Nach vorne oder hinten abkippen.
✅ Gerade im Oberkörper bleiben, auch im Aufstehen. Versuchen, das Körpergewicht immer relativ zentral über dem Pferd zu halten. So verhinderst du, dass du zu sehr schwankst.
❌ Aktiv aufstehen.
✅ Lass dich vom Schwung des Pferdes aus dem Sattel heben und sitz danach sanft wieder ein.
❌ Immer auf demselben Fuß leichttraben.
✅ Häufig wechseln, um beide Seiten gleich zu belasten.
❌ Mit den Händen mitgehen.
✅ Lerne, die Hände unabhängig vom Oberkörper zu tragen. Sie sollten auf gleicher Höhe bleiben, während du leichttrabst, sonst sendest du unklare Signale an dein Pferd! Stichwort zügelunabhängiger Sitz😉
❌ Mit den Knien an den Sattel pressen.
✅ Deine Knie dürfen anliegen, sollten aber nicht fest sein. Prüfe, ob du im Gleichgewicht bist.
❌ Fersen hochziehen.
✅ Lass die Fersen nach unten federn. Wenn du sie hochziehst, sind deine Bügel vlt zu lang.
Achtung - diese Tipps ersetzen keine Sitzschulung! :)
Wann sollte man leichttraben - und wann nicht?
Pro-Leichttraben: Wann macht es (kurzzeitig) Sinn?
✅ bei ausbalanciertem Sitz - auch Leichttraben muss gelernt sein!
✅ im Gelände bei schnellerem Trab oder bei unwegsamem Boden (Achtung - regelmäßig umsitzen!)
✅ für Reiter, die noch nicht so gut aussitzen können (denn das ist dann meistens angenehmer fürs Pferd als ein "Aussitzen", bei dem der Reiter ihm in den Rücken fällt) Achtung - auch hier regelmäßig umsitzen und am Sitz arbeiten, das sollte keine Dauerlösung sein!
Hierzu spannend: Kindern fällt das Sitzen grundsätzlich leichter als das aktive Aufstehen - viele Kinder bringen also eine natürliche Neigung zum Aussitzen mit. Ihnen dann das Leichttraben anzugewöhnen, ist kontraproduktiv, bringt sie aus dem Gleichgewicht und kann es ihnen auch erschweren, später wieder zurück zum Aussitzen zu finden.
✅ um gezielt die Hinterbeine anzusprechen (siehe "Richtiger" und "falscher" Fuß)
✅ um den Takt zu verbessern oder zu verändern
Kurzum: Leichttraben ist (kurzzeitig) sinnvoll, wenn man dem Pferd damit helfen kann.
Kontra-Leichttraben: Wann ist es Unsinn?
❎ bei unausbalanciertem Sitz. Wer beim Leichttraben hin und her schwankt, sollte es besser gezielt üben (Sitzschulung!)
❎ bei der Dressurarbeit - man kann so keine Hilfen geben und der Sitz wird schwammig
❎ zum "Entlasten" - die Last bleibt dieselbe und bewegt sich zusätzlich noch, d.h. sie muss ausbalanciert werden
Leichttraben an sich ist keine schlechte Sache - aber genauso wie alles andere muss es gelernt sein und sollte als Werkzeug - gezielt und kurzzeitig dosiert - eingesetzt werden. Runde um Runde leichttraben bringt weder Pferd noch Reiter einen Vorteil - und magisch "leichter" wird man damit auch nicht.
Ganz speziell: Sollte man Jungpferde leichttraben?
Nein, ...
... wenn der Trab gut aussitzbar ist - denn das Leichttraben verunsichert sie oft und bringt sie aus der Balance (siehe Einführung)
... wenn du das Ziel hast, sie zu entlasten. Unten stelle ich dir dafür eine Alternative vor.
Ja, ...
... wenn sie sehr stark werfen & man sie nicht flüssig aussitzen kann. Dann ist Leichttraben einfach das "geringere Übel" (siehe Teil 4), bis das Pferd durch helfendes Training gut aussitzbar ist.
... man es zur gezielten Unterstützung bei einer bestimmten Lektion nimmt (siehe Teil 2: "richtiger" und "falscher" Fuß) - immer unter der Vorraussetzung eines ruhigen Sitzes!
💡 Bessere Alternative zum Leichttraben- egal ob für Jungpferde oder für die Lösungsphase:
Der Entlastungs- oder Remontensitz! Der Reiter lehnt sich hierbei nach vorne, das Gesäß hat Kontakt zum Sattel, wird aber nur minimal belastet. Das Gewicht liegt eher auf den Oberschenkeln. Kennt der eine oder andere vlt vom Bergauf-Reiten im Gelände. Dieser Sitz bietet sich für junge Pferde die ersten beiden Jahre nach dem Anreiten an und auch in der Aufwärmphase ist er nützlich. Da das ständige Auf und Ab entfällt, wirkt dieser Sitz eher entlastend für dein Pferd und ist eine gute Alternative für alle, die vielleicht noch nicht so gut aussitzen können.
Kategorien: Pferdegerecht | Schlagworte: Muskelaufbau, Reiten, Reitersitz, Sitzschulung, Trainingsimpulse